Minimalismus als Strategie zu einem aufgeklärten Computerdesign
Im Licht der globalen Spionageaufrüstung und der scheinbar ubiquitären Durchdringung von Alltagstechnologie mit Sensorik, die durch gewaltausübene Organe missbraucht werden kann, sollte es heute wichtiger als je zuvor sein, vom Nutzer komplett nachvollzieh- und auditierbare Informations- und Kommunikationssysteme zur persönlichen Verfügung zu haben. Diese gibt es jedoch nur in Teilen, die noch niemand zusammengesetzt hat: “offene”, also komplett dokumentierte Prozessoren, Eingabe-, Ausgabegeräte und Betriebssystemsoftware.
Eine freie Dokumentation und legal modifizierbare Komponenten reichen jedoch nicht aus, um dem Kriterium der einfachen Nachvollziehbarkeit gerecht zu werden. Jüngste Sicherheitslücken wie der Heartbleed-Fehler in der offenen Verschlüsselungskomponente OpenSSL haben deutlich gemacht, dass eine Bedrohung von zu komplexen und unübersichtlichen Systemen ausgeht, unabhängig von ihrer oberflächlichen Einsehbarkeit oder Opazität.
Einen möglichen Ausweg stellt ein radikaler Minimalismus bei der Konstruktion eines Informations- und Kommunikationssystems dar. Praktische Beispiele dafür sind die LISP-Maschinen der 80er Jahre oder die Betriebssysteme Contiki, Plan 9 und Xv6. Diese Systeme wurden im Gegensatz zu den heute verbreiteten (iOS, Android, Windows) von ihren Autoren mit einem deutlichen Fokus auf die Beschränktheit ihrer Fundamente gestaltet. Im LISP-System muss es z.B. durch die Wahl einiger weniger, extrem flexibler Grundbausteine (S-Expressions) keinen Unterschied zwischen Betriebssystem, Programmiersprache und User Interface geben. Das Design von Plan 9 enthält eine ähnliche Komplexitätsreduktion durch das Prinzip “everything is a file system” und macht dateisystembasierte Datenströme zum Grundbaustein seines User Interfaces.
Der Vortrag unternimmt den Versuch zu erklären, welche minimalistischen Gestaltungsstrategien sich für Computersysteme eignen, deren innere Ordnung von ihren Nutzern vollständig nachvollziehbar sein soll.
Lukas F. Hartmann (@mntmn) is the technical co-founder of Spacedeck.com and works at the intersection of technology, communication and art. He programs computers since early childhood. During his studies at University of the Arts in Berlin, he co-created aka-aki, one of the earliest mobile social networks that had a global impact. Recently, he has spoken at events like the Digital Bauhaus Summit in Weimar and co-hosts the regular web tv show “Source Code Reading” that is recorded at Wikimedia Deutschland.